Seilerei durch die Zeiten
Von vorgeschichtlichen Seilereitechniken bis zum spätmittelalterlichen Seilereigerät und der Handwerkskunst der Reepschlägerei
Natürlich kann ich ein so umfangreiches Kapitel wie die Seilerei, welches eigene Berufsstände hatte und immer noch hat, nur oberflächlich anschneiden. Gerade in diesem Bereich freue ich mich über jede weiterführende Information über Seilerei in der Fischerei, denn als Fischer habe ich stets einen großen Bedarf an für Seilen, Leinen, Garnen Schnüren etc.
Deswegen beschäftige ich mich mit auch mit der Herstellung von Seilen mittels der unterschiedlichen Materialien und Techniken, die in den von mir gezeigten Zeiten angewandt wurden. Auch die Konservierung von Netzen, Garnen, Leinen und Seilen mittels nachweisbarer und überlieferte Techniken ist Teil meiner Arbeit in der Fischereitechnik.
Für Seile kamen oft die gleichen Materialien wie für die Netzherstellung zum Einsatz, zum Beispiel Lindenbast, Flachswerg, Weidenrinde, Hanf oder Brennnessel, aber auch für die heutigen Vorstellungen exotische Materialien wie Frauenhaarmoos (Information von der Archäobotanikerin Hildegard van’t Hull).
Etwas skeptisch stehe ich der Nennung von Eichenbast als Rohstoff für Schnüre, Leinen und Seile gegenüber. Meine Versuche mit Eichenbast blieben bisher erfolglos, gleich ob mit frischen oder eingeweichten Material.
Während die Römer Seile aus Hanf, Flachswerg und Spartgras verwendeten, war Lindenbast von der Steinzeit bis ins Mittelalter in Mitteleuropa meist das Material der ersten Wahl.
Für die Fertigung selbst starker Seile mit bis zu 4 cm Stärke wurde Lindenbast nachgewiesen. Natürlich kann auch ich als Fischer mir Seile aus Lindenbast anfertigen, für an dieser Technik Interessierte Leute ich hier einen Besuch im Roskilde Wikingerschiffsmuseum empfehlen. Dort arbeitet der meiner Ansicht nach derzeit beste Fachmann für Lindenbastseile, Herr Ole Magnussen, welcher die besten, mit der Hand gedrehten Seile anfertigt.
In der Vorgeschichte gab es aber vermulich auch einfache Hilfsmittel zur Seilherstellung, so wurde beispielsweise die eisenzeitliche Technik der Seilherstellung mittels Webbrettchen erwogen. Die Herstellung von Seilen mit dieser Technik wird in der Hallstattzeit vermutet. Apropos Brettchentechnik, für diese Technik ist Frau Silvia Crumbach vom Verein „Projekte zur lebendigen Geschichte e.V.“ die beste Ansprechpartnerin die ich kenne.
Ich experimentiere derzeit mit der römischen Seilerspindel, deren Anwendung auf einem römischen Grabrelief aus der römischen Hafenstadt Ostia zu sehen ist. Diese Seilerspindel, welche im Prinzip einer zeitgenössischen gewöhnlichen römischen Handspindel in überdimensionierter Form gleicht, ist das einzige, mir bekannte überlieferte Seilerreigerät des antiken Roms.
Zunächst wird aus einem Faserbündel eine Schur gedreht, diese wird dann gezwirnt und anschließend lässt sich über die gleichzeitige Arbeit mit 3 Spindeln, welche drei gezwirnte Schnüre gegeneinander zusammendrehen , ein einfaches Seil herstellen. Im Prinzip ähnelt diese Technik schon der Herstellung dreisträngigen Seile mit der Warbel.
Über Seilererbahnen, welche den späteren Reeperbahnen der mittelalterlichen und neuzeitlichen Hansestädte ähneln, ist mir aus der Römerzeit nichts bekannt. Wenn ich mir die Größe der römischen Seeschiffe, deren Bedarf an schwerem Tauwerk und deren Flottenstärke einerseits, das zum Bau von mehrstöckigen Gebäuden, Aquädukten oder auch nur zum Betrieb der Hafenkräne benötigte schwere Tauwerk andererseits vorstelle, muss es doch auch zu dieser Zeit noch andere Techniken als die Seilerspindel gegeben haben.
Vielleicht liege ich ja auch völlig falsch und diese Spindel diente auch nur der Herstellung von Garnen für die Seilerei mit schwererem Gerät, welches nicht überliefert ist.
Selbst tierische Materialien wurden in der Vorgeschichte bis zur Neuzeit zur Seilerei verwendet. So fanden sich in der Völkerwanderungszeit Seile aus Pferdeschweifhaar und langfloriger Wolle. Pferdeschweifhaar fand sogar bis zur Einführung der Synthetikfaser noch Verwendung als Material zur Herstellung von Fischernetzunterleinen.
Ich habe für meine Sammlung ein solcherart gefertigtes Stellnetz zum Stintfang aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom Ältermann meiner Fischerzunft, Herrn Harald Ross, geschenkt bekommen.
Seilerspindeln mit asymetrischen Schwungarm zum Schlagen von 2-strängigen Netzunterleinen, einfachen Leinen, Schnüren und dünnen Seilen aus Flachswerggarn, Hanfgarn und Pferdehaar
Eine interessante Anregung erhielt ich im Herbst 1996 von einer niederländischen Archäologin. Sie zeigte mir eine Technik, welche sie zur Herstellung von einfachen Wollschnüren und Leinen ausprobiert hatte. Im Experiment hatte man, so erzählte sie mir, hatte man im Experiment mit dieser Technik gute Erfahrungen in der Herstellung Stricke und einfache Seile für den Bedarf eines eisenzeitlichen Hofes gesammelt.
Grundlage war ein fragmentarischer, späteisenzeitlicher Fund eines gelochten Brettes mit durchgesteckten Holzstab.
Ihre Idee, ob sich diese Technik sich nicht auch für meine Netzleinen eignen würde, gab mir die Anregung, ein solches Gerät in schwererer Form anzufertigen, um mir damit die Ober- und Unterleinen zu meinen Fischernetzen zu drehen.
Hierzu rotiert der Schwungarm um den runden Stab, der mit beiden Händen geschlagen wird. Durch die Löcher werden die Garnstränge gefädelt, die dann über entgegengesetztes Drehen im Uhrzeigersinn mit zweien dieser Leinenschläger durch zwei Personen zu einem Strang zusammengedreht werden. Durch das halbieren der Stränge, welche dann wie beim Kordeln entgegen dem Uhrzeigersinn zu einer 2- kardeeligen Leine verdreht werden, entsteht die fertige Leine.
Soll statt dessen ein dreikardeeliges Seil entstehen, werden erst 3 einzelne Stränge zu den späteren Kardeelen gedreht. Diese Stränge gleicher Länge und gleicher Spannung werden dicht nebeneinander an Pflöcken befestigt.
Das Zusammendrehen (Schlagen) dieser Stränge zu einem Seil erfolgt unter Zuhilfenahme einer Astgabel. Diese wurde auch volkskundlich neben dem in der Antike erstmals nachgewiesenen Leitholz (Seilerlehre) verwendet. Das Leitholz trennt die einzelnen Stränge, um diese beim Zusammendrehen geordnet zu halten.
Ich gehe davon aus , das diese Technik in der Landwirtschaft und Fischerei der Eisenzeit eine mögliche gebräuchliche Technik war, um den hohen Bedarf an einfachen Leinen und dünnen Seilen zu decken. Es gibt meines Wissens keine vergleichbaren Mittel oder nordeuropäischen Fund aus dem Frühmittelalter oder Mittelalter.
Lediglich aus der Volkskunde und aus dem ethnologischen Vergleich gibt es in der Fischerei und Landwirtschaft ähnliche Geräte zur Herstellung dünner Leinen. Isländische Fischer fertigten mit einer ähnlichen Technik noch im 20 Jh. ihre Unterleinen für die Stellnetzfischerei aus Pferdeschweifhaar. 2-kardeelige Leinen sind besonders für Fischernetze als Unterleinen aufgrund ihrer Weichheit und Drallfreiheit bestens für die Herstellung von Netzunterleinen geeignet
Eduard Krause erwähnt 1904 in seinem Werk vorgeschichtliche Fischereigeräte und neuere Vergleichsstücke auch die Verwendung der asymmetrischen Seilerspindel (Abb. 593) mit Schwungarm.
Die Seilherstellung mit Seilerspindeln ist jedoch für die Herstellung von Schiffstauwerk nicht geeignet. Seilwerk in der Schifffahrt sollte entsprechend Fest und Dehnungsstabil sein.
Umso ärgerlicher stimmt es mich, wenn auf Mittelaltermärkten Leute mit dieser Technik als „mittelalterliche Reepschläger“ auftreten , schließlich waren die „Reepschläger“ im Mittelalter und der Neuzeit auf Schiffsseilwerk spezialisierte Handwerker mit völlig anderen Werkzeug (siehe Reepschlägerei).
Schiffstauwerk der Wikingerzeit
Für die Herstellung der dafür benötigten stärkeren und dehnungsstabileren Seile wurde aber vor allen im vorgeschichtlichen Norden im Frühmittelalter wohl weiter zumeist der Lindenbast mit der Hand zu Seilen gedreht, welche auch im archäologischen Befund auftauchen. Für Hanfseile kenne ich übrigens keinen einzigen archäologischen Befund im frühmittelalterlichen Skandinavien.
Baumbastseile in der Wikingerzeitlichen Siedlung Haithabu konnten ein Durchmesser von bis zu 7cm haben.
(Abbildung im Maßstab 1:1, Bericht über die Ausgrabungen in Haithabu, Seite 78, Wachholtz Verlag 1977)
Brennnesselseile bei den Rus
Seile könnten auch auf eine andere Technik mittels des Verschlagens gesponnenen Garnes mit 3 hölzerner Astgabeln zu einem dünnen 3-kardeeligen Seil gedreht worden sein. Ich vermute, das diese einfache Art der Seilherstellung mit Astgabeln eine mehrerer Möglichkeiten war. Das dazu verwendete Gerät lässt sich im Fundgut kaum als Seilerwerkzeug erkennen.
Die Leiterin des Wikingermuseums Haithabu, Frau Drews, machte mich auf diese Technik aufmerksam. Ich baute eine solche Seilerei aus Astgabeln für das Museum nach. Möglicherweise wurden damit auch die von Jordanes im 10. Jahrhundert beschriebenen Nessel-Seile der Rus hergestellt.
Seilherstellung mittels Lochbrettern auf historischen Veranstaltungen
Seit 1996 zeigte ich die Verwendung von den abgebildeten einfachen Seilerspindeln aus gelochten Holzbrettern, welche um einen Rundholzstab rotieren. Diese verwende ich vor allen zur Herstellung 2-kardeeliger Leinen und ggf. einfacher, 3-kardeeliger Seile auf historischen Veranstaltungen. Hier ist mir die Anmerkung wichtig, das diese Technik zwar gut funktioniert, der archäologische Nachweis der dazu verwendeten Geräte aber sehr dürftig ist und auf fragmentarischen Funden aus der Eisenzeit (Frankreich) sowie auf einer einelnen bronzezeitlichen ägyptischen Abbildung beruht.
Inwieweit die Verwendung dieser Technik der Seilherstellung ggf. auch in Mittel -oder Nordeuropa erfolgte, kann ich aufgrund der fehlenden Nachweise nicht belegen. Zudem gab es ja zeitgleich auch noch einige andere Techniken der Seilherstellung. Interessant ist jedoch, das diese Technik noch Ende 19.Jh./Anfang 20.Jh. regional in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns, am Niederrhein und in den Niederlanden von Fischern verwendet wurde.
Faszinierend ist, das die dabei verwendeten Geräte den bronzezeitlichen ägyptischen Seilerspindeln ähneln!
Schlohtuig, Kammradseilerbahn oder auch „Geschirr“
Für die Seilerei des späten Mittelalters / frühe Neuzeit verfüge ich über ein Schlohtuig, eine frühes, einfaches Kammradgeschirr.
Wie alt die Verwendung von Seilereigeräten mit Getriebe, auch „Geschirr“ genannt, ist, lässt sich leider nur schwer datieren. Die ersten hölzernen Zahnradgetriebe wurden bereits für verschiedene andere Zwecke in der Antike angewandt. (z.B. römische Wassermühlen aus dem 2.Jh. in Barbegal, Frankreich)
In den Städten im Binnenland des ausgehenden Mittelalters und des 16. Jahrhunderts kamen diese Geräte bereits viel früher als an der Küste zum Einsatz.
Ältester eindeutiger bildlicher Beleg für das Zahnradgetriebe bei einer Seilerbahn ist eine Abbildung aus dem Werk „Machinae Novae“ des Italienischen Technikers und Erfinders Fausto Veranzio, aus dem Jahre 1595. Dort treibt dort ein großes Zahnrad vier kleinere Zahnräder, verbunden mit Seilerhaken eines größeren Seilergeschirrs mittels eines Pedalantriebes an.
Quelle: Seite 68 in Niederdeutsche Studien, Band 16 von Jürgen Eichhoff 1968: „Die Sprache des niederdeutschen Reepschlägerhandwerkes“
Mein Seilereigeschirr mit Kammradgetriebe fällt hier indes wesentlich simpler und leichter aus. Das Seilereigerät ist komplett aus Holz gefertigt. Seine drei „Kammräder“ werden über eine Kurbel am zentralen Antriebsrad des Holzgetriebes bewegt und drei Holzhaken schlagen die aufgeketteten Stränge zu dem entstehenden Seil.
Die einzigen Metallbestandteile des Geschirrs sind 2 Metallbänder um den Holzblock des zentralen Antriebszahnrades. Das hölzerne Getriebe ist auf einem Brett verkeilt, welches wiederum auf einem fahrbaren, hölzernen Schlitten steht, welcher zur Arbeit fest verankert wird.
Auf der gegenüberliegenden Seite am Ende der Seilerbahn steht ein „Nachschlitten“, welcher im Gegensatz zum Geschirr bei der Arbeit nicht fixiert wird, sondern beweglich ist. Auch auf diesen beweglichen Schlitten ist eine Kurbel montiert, für die nötige Spannung der Stränge wird dieser Schlitten mit Steinen beschwert.
Damit die Kabelgarne sich nicht beim Schlagen verfilzen, kommt die „Lehre“, auch „Leitholt“, „Nuss“ oder „Nut“ (westfälisch) oder das „Höövt“ (platt) zum Einsatz. Dies ist ein kegelförmiger Holzklotz, mit 3 – 4 tiefen Rillen.
Mit der Lehre lässt sich auch über die Führungsgeschwindigkeit die Härte des Seiles variieren, je nach anschließenden Verwendungszweck. Mit dieser Technik lassen sich Seile bis ca. 3,0 cm Stärke herstellen.
Erst im 16. –17. Jahrhundert tauchen dann auch an der Küste, im Gegensatz zum Binnenland, in der Seilersprache die ersten Belege für die mechanische Seilerbahn mit der Übernahme des Hochdeutschen Wortes „Geschirr“ in die Fachsprache der dort tätigen Reepschläger auf. Im Gegensatz zu der einfacheren, von mir noch später aufgeführten „Warbel“ wurde das „Geschirr“ damals nur für dünnere und mittlere Seile verwandt.
Die Reepschläger nannten diese Geräte „Trossengeschirr“ oder „Stranggeschirr“. Trosse bedeutet in der Seemannssprache „Mittelstarkes Seil“, Strang bedeutet „kurzes Seil“.
Fast unverändert bis in die Industrialisierung wurde das Geschirr in der Seilerei für die Landwirtschaft und Fischerei benutzt.
Das Reepschlägerhandwerk
Verwendet wurde der Name „Reepschläger“( oder auch Reepslegere, Reepsleger, Reeper, Reepsläger) allein im niederdeutschen Sprachgebiet und im Ostseeraum. Gemeint sind mit diesem Namen die spezialisierten Handwerker, welche Seilwerk für die Schifffahrt, vor allen die Seeschifffahrt herstellten.
Jürgen Eichhoff drückt es in seiner wissenschaftlichen Studie „Die Sprache des niederdeutschen Reepschlägerhandwerks“ so aus:
Der Reepschläger ist ein Handwerker, dessen Kunst darin besteht, schweres Seilwerk für die Schifffahrt zu verfertigen. Er hat seinen Arbeitsplatz vornehmlich in den Küstenstädten an Nord und Ostsee“. Durch die Stärke und Länge des von ihm hergestellten Seilwerks, damit verbunden natürlich auch durch die Größe seiner Werkstatt und entsprechende Arbeitsmethoden unterscheidet sich der Reepschläger vom Seiler. Seiler stellen dünnes Seilwerk für die Landwirtschaft und Fischerei her.
Weiter bemerkt Eichhoff: „Im Binnenland sind nur Seiler anzutreffen“
In Volkskunde- und Schifffahrtsmuseen in Norddeutschland und den angrenzenden Nachbarländern lassen sich auch heute noch die im Reepschlägerberuf bereits seit dem Mittelalter überlieferten Werkzeuge besichtigen.
Wer die Segelschiffe vom Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert kennt, kann angesichts deren Takelage und des dafür benötigten Spezialseilwerkes verstehen, warum der „Reepschläger“ eine damals durch Zunftrecht und Gesetze geschützte Berufsbezeichnung war.
Die Reepschlägerzünfte des 14. Jahrhunderts hatten bereits sehr hohe Anforderungen an den zu verwendenden Rohstoff wie auch das fertige Seilgut. Unter allen Berufen, welche sich mit Seilherstellung beschäftigten, waren die Reepschläger die qualifiziertesten und spezialisiertesten Handwerker.
Reepschläger standen mit ihrer Tätigkeit im hohen Ansehen, da sie für die Schifffahrt und somit Wirtschaft der Küstenstädte lebenswichtig waren.
(Eichhoff , Niederdeutsche Studien, Band 16, Seite 10, Böhlau Verlag Köln Graz)
Der Arbeitsplatz, die Reeperbahn, war teilweise oder ganz überdacht und konnte bis zu 300 Metern lang sein. Am Ende befand sich ein Schuppen für die Geräte. Im Mittelalter befanden sich die Reeperbahnen auch oft direkt an der Stadtmauer, da sich dort die benötigten, langen geraden Strecken fanden. An der Stadtmauer war auch leicht ein Dach anzuschlagen.
Normale Schiffstaue hatten eine Länge von 120 Faden, ca. 220 Meter. Reeperbahnen in den Niederlanden hatten im 17. Jh. eine Länge von 250 Faden.
In der wirtschaftlichen Blütezeit ihres Handwerkes im 14./15. Jahrhunderts überließen die Reepschläger einfache Kleinarbeiten und das Spinnen des Garnes den Hanfspinnern. Auch die Hanfspinner hatten eigene Zünfte. Hanfspinner durften nur dünne Seile herstellen und ihre Tätigkeit wurde zum Beispiel in Lübeck von den Reepschlägern überwacht (siehe Eichhoff, Seite 11).
Das charakteristische Werkzeug der Reepschläger ist die Warbel. Reepschläger führten diese Werkzeuge sogar auf ihren Zunftwappen.
Die Warbel
Auf festen Stützen ist ein stabiles Holzbrett verankert, in welchem 3 – 4 eiserne Kurbeln, die Schlagkaken, befestigt sind. Diese werden bei der Herstellung dünneren Tauwerks mit einem durchlochten Brett, welches über die Handgriffe gesteckt wird, verbunden.
Bedient wird die Warbel von mindestens 2 Personen. Bei extrem schwerem Seilwerk wurde sogar jede einzelne Kurbel der Warbel von je einer Person bewegt, was bei 4-kardelligen Tauwerk die Mitarbeit von bis zu 4 Personen allein an der Warbel erfordern konnte.
Gegenüber der festverankerten Warbel steht der bewegliche Schlitten (Platt „Sleden“), ein Gestell mit Kufen, welches mit Steinen gefüllt wird. Das langsame Vorrücken des Schlittens während des Reepschlagens gewährleistet die Festigkeit des entstehenden Seiles. An diesem Schlitten ist ein schwerer Eisenhaken befestigt. Bei dessen Schlagen wird die Lehre, ein kegelförmiger 3 – 4 fach gekerbter Holzklotz ( Höövd genannt), vom Schlitten aus bis hin zur Warbel vorgeschoben.
Sinn der Lehre ist, die Stränge des Seiles beim Schlagen des Seilwerkes zur Vermeidung des Verfilzens der Duchten oder Kabelgarne geordnet zu halten.
Im 17. Jh. kam dann noch der „Topsleden“ dazu, ein Schlitten, in welchem die Lehre befestigt wurde. Der „Topsleden“ wurde zur Herstellung schwerster Taue und Kabel verwendet und erzeugte durch seine Bremswirkung die nötige Festigkeit so bei der Fertigung je nachdem, ob ein Ankertau, eine Wante oder ein Stag entstehen sollte.
Zwischen der Warbel und dem Schlitten stehen die „Stütt“ oder „Micken“, gabelförmige Seilstützen, welche gewährleisten sollen, dass die Stränge des entstehenden Seilwerkes nicht durchhängen und über den Boden schliffen.
Bei schwersten Kabeln für die Stagen der Segelschiffe konnte es passieren, das 8 – 9 Leute gleichzeitig auf einer Reeperbahn arbeiteten.
Buchtipp:
Jürgen Eichhoff Böhlau Verlag Köln Graz 1968 „Die Sprache des niederdeutschen Reepschlägerhandwerkes“, niederdeutsche Studien Band 16 .
Im 18. – 19. Jahrhundert verschmolzen dann die beiden ursprünglich unterschiedlichen Berufe des Seilers und Reepschlägers, übrig blieb bis heute der Seilerberuf.
Darstellung des Reepschlägerberufes auf historischen Veranstaltungen?
Außerhalb eines Freilicht-, Volkskunde- oder Schifffahrtsmuseums halte ich Darstellungen des historischen Reepschlägerhandwerkes auf Veranstaltungen z.B. Mittelalterdarstellung für nicht durchführbar. Zum Einen kenne ich keinen Handwerker , der über das nötige, extrem schwere Gerät und die erforderlichen Spezialkenntnisse verfügt, zum Anderen stellt sich die Frage, wer das in erheblichen Mengen benötigte Rohmaterial bezahlt. Und wer außer einem Schifffahrtsmuseum hat Bedarf für Schiffstauwerk in Stärken von 4 – 8 Daumen Dicke?
Ein Kabel von 8 Daumen Dicke zu schlagen, wurden von der Rigaer Reepschlägerzunft unter anderen als Bestandteil der Meisterpüfung im Jahre 1665 gefordert. (Eichhoff, Band 16, Seite 7)
Nebenan ist die Batavia abgebildet. Bereits die 200 – 300 Jahre älteren Schiffe des Mittelalters hatten entsprechendes stehendes Gut und erforderten das Können eines guten Reepschlägermeisters bei ihrer Anfertigung.
Eine Darstellung des Reepschlägerhandwerkes ohne entsprechender Warbel, Micken und Schlitten ist aber ungefähr so authentisch wie eine Schmieddarstellung ohne Hammer, Amboss und Esse. Hier bin ich froh, das ich als Fischer wesentlich leichteres Seilwerk benötige, welches ich mir auch ohne solch schweres Gerät noch selbst fertigen kann.
Allen, ernsthaft an dem Reepschlägerhandwerk interessierten Lesern möchte ich das Buch “Die Sprache des niederdeutschen Reepschlägerhandwerkes“, Niederdeutsche Studien, Jürgen Eichhoff, aus dem Jahr 1968 empfehlen.
Meine Vorführungen zur einfachen Seilherstellung für die Fischerei
Auf historischen Veranstaltungen kann ich Ihnen mit unterschiedlichen Geräten zusätzlich zu meiner umfangreichen Fischereiausstattung die einfache Seilherstellung zeigen. Seilherstellung mit Leinenschlägern und meinem Kammgeschirr kann auch für Kinder angeboten werden. Derzeit ist dafür auch ein kleines Schlaggeschirr in Vorgereitung.
Bin ich einmal zeitlich verhindert, so stelle diese Geräten auch gerne Freunden und Bekannten zur Verfügung, welche sich ebenfalls in diese Technik eingearbeitet haben.
Auch kann ich im Internet www.Brandenburg1260.de/seilerei für historische Veranstaltungen sehr empfehlen. Diese zeigen ein handwerkliches und ausrüstungstechnisches Niveau mit einer solchen Qualität, wie sie auch für andere Handwerker im Bereich Living-History, geschweige denn der „Mittelalterszene“, beispielhaft sein müsste.
Rohstoff Hanf
Ab dem Hochmittelalter war der Faserlieferant erster Wahl bei den Reepschlägern der Hanf. Hanf ist für ein Naturmaterial ausgesprochen scheuerfest und durch die Langfaserigkeit äußerst reißfest.
Der Hanf, welche Reepschläger verarbeiteten, musste Material erster Wahl sein. Den holzigen Werg als Abfallprodukt der Fasergewinnung zu verwenden, verboten den Reepschlägern die entsprechende Gesetze.
Altes Tauwerk durfte nicht für neues Schiffstauwerk wiederverwertet werden. Hanf muss gut imprägniert werden, um nicht zu verrotten. Seit der Antike geschah dies durch Lohen mit Rinde oder Teeren mit Holzteer aus den Teermeilern.
Heute ist der Hanf als Faserlieferant weitgehend durch die verrottungsfesteren Synthetikfasern verdrängt worden. In der Seefahrt und Fischerei stellen diese neuen Materialien für mich und meine Kollegen eine echte Arbeitserleichterung dar. (Ich als moderner Berufsfischer möchte ja auch nicht ständig meine modernen Netze und Seile imprägnieren müssen, wie ich es mit meinem historischen Fischereigeräten machen muss.)
Dabei lieferte der Hanf jenseits der Seilherstellung und des Drogenmissbrauchs auch nachweislich seit der Antike den Rohstoff für inzwischen auch wissenschaftlich belegt, sehr wirksame Medikamente.
Dieser Aspekt der alten Seilerpflanze geht leider im ideologisch motivierten Streit zwischen geistloser ideologischer Verharmlosung durch die ihn missbrauchenden Gewohnheitskiffer und ebenso geistloser ideologischer Verfolgung (im Verhältnis zum realen Gefährdungspotential) durch Anhänger der Prohibition unter.
Schließlich sind weder die Kulturen der alten Ägypter, noch der Skythen, der alten Griechen oder Römer an deren nachgewiesenen Hanfkonsum in Form von Räucherwerk, Bier und Weingewürz untergegangen. Und selbst in Mitteleuropa wurden Hanfblüten in eisenzeitlichen Graburnen gefunden.