Fischerei des Frühmittelalters

Fischereitechniken des Frühmittelalters –
Rekonstruktion und Erprobung

Seit 20 Jahren beschäftige ich mich als einziger Berufsfischer im Bereich Living-History mit den Fischereitechniken unterschiedlicher Zeiten. Angefangen hat alles mit der Nachfertigung erster eisenzeitlicher und frühmittelalterlicher Fischereigeräte im Jahr 1992. Eine kleine Einführung in die archäologisch belegbaren Fischereitechniken des Frühmittelalters möchte ich hier vorstellen.

Seit 10 Jahren bin ich selbstständiger Berufsfischer in der Küstenfischerei auf der Schlei, ein geschichtsträchtiger Arm der Ostsee. Direkt gegenüber der Fischersiedlung „Holm“ liegen auf der Südseite der Schlei die Reste der im Frühmittelalter bedeutende Handelssiedlung Haithabu. Ursprünglich eine Gründung friesischer Kaufleute, entwickelte sich dieser Ort im Verlauf des Wikingerzeit zu einem bedeutenden Handelsplatz des Frühmittelalters.

Bei der Ernährung der Bevölkerung dieses Handelsortes, welche sich aus Skandinaviern, Friesen, Slawen, Sachsen und Franken zusammensetzte, spielte Fisch eine wesentliche Rolle.

Die Stadt ist arm an Waren und Reichtum, die Hauptnahrung der Einwohner ist Fisch, denn den gibt es hier reichlich.“

erwähnt der Handelreisende und Diplomat At Tartûschi aus Tortosa ( Spanien) im Jahre 965. Der Fischkonsum der Einwohner Haithabus hat auch im Boden der ehemaligen Stadt seine Spuren hinterlassen.

Bei der Auswertung der Fischknochenfunde ließ sich eine Liste der dort am meisten verzehrten Fische erstellen. Am beliebtesten war der Ostseehering, an zweiter Stelle folgte der Flußbarsch, an dritter Stelle der Hecht.

Alle drei Fischarten befische ich auch noch heute auf der Schlei, wobei ich neben der heute üblichen Fischerei mit meinen modernen Großreusen und Stellnetzen gelegentlich auch die unterschiedlichen frühgeschichtlichen Fischereigeräte einsetze. Aber mit welchen Fischereigeräten fischten die Menschen eigentlich überhaupt im Frühmittelalter? Hierauf geben archäologische Funde eine Antwort.

Angelgeräte

Die Angelfischerei läßt sich meist über die Funde von Angelhaken nachweisen. Angelhaken unterschiedlicher Größen wurden in frühmittelalterlichen Siedlungen im Binnenland wie an der Küste nachgewiesen.

Querangeln

Das primitivste Angelgerät im Frühmittelalter ist die Querangel. Diese gab es aus Holz, Knochen oder aus Eisen. Querangeln sind meist nicht hakenförmig, sondern ein an beiden Seiten zugespitzter Stab. Fundorte dieser Fanggeräte in Schleswig -Holstein sind beispielsweise Haithabu und Elisenhof Solche Querangeln habe ich nachgefertigt und wiederholt mit Erfolg auf ihre Praxistauglichkeit getestet.

Querangeln, auch Köderfischangeln genannt, können bis etwa 15 cm lang sein. Das liegt daran, daß mit diesen Angelgeräten auf Raubfische gefischt wird. Die Praxis zeigt, dass die Köderfische nicht klein sein müssen. So spie ein 8 Kg schwerer Hecht, welchen ich in einer Reuse vor Haithabu fing, einen Aland von 2,5 Kg aus. Die toten Köderfische, mit denen ich als Köder experimentierte, waren um 15 cm groß. Die Querangeln habe ich in einer Reihe von 12 Angeln mit Flotten aus Pappelholz als schwimmende Legeangel gestellt. Die Hechte, den ich mit dieser Technik im Haddebyer Noor fing, waren im Durchschnitt ca.75 cm groß. Selten fing ich mehr als einen Hecht auf die 12 Querangeln der Legeangel.

Eine besonders interessante frühmittelalterliche Querangel aus Eisen fand sich im in Mikulčice, Tschechien. Diese, knapp 15 cm große Querangel war an beiden Enden als Angelhaken gestaltet. Die Größe der Querangel und die Auswertung der Fischknochen in Mikulčice legen nahe, das damit der Wels, der größte mitteleuropäisch Raubfisch und zweitgrößte europäische Fisch im Süßwasser überhaupt befischt wurde.
Archäozoologen wiesen in Mikulčice unter anderen Knochen eines 3,5 Meter große Welses nach!

Querangel

Angelhaken

Der klassische Angelhaken ist in Mittel- und Nordeuropa eines der am häufigsten nachgewiesenen Fischereigeräte. Die Größe variiert je nach der befischten Fischart. Materialien für Haken waren Eisen, Bronze, Messing und Knochen. Es gab Angelhaken, welche einzeln an Handhaspeln oder an Angelruten zum Fischfang eingesetzt wurden.

Für die Berufsfischerei interessant war die Fischerei mit Legeangeln und Langleinen, Angelschnüren, an denen bis zu mehrere hundert beköderte Angelhaken befestigt sein können. Diese Fischereitechnik ist bereits lange vor dem Frühmittelalter archäologisch nachweisbar. Natürlich sind auch die Senkgewichte der Angelschnüre erhalten. Während in Süd und Mitteleuropa bereits in römischer Zeit auch Bleisenker verwendet wurden, kamen im Norden fast ausnahmslos Steinsenker zum aus verschiedenen Material zum Einsatz.

In Teilen des nördlichen Skandinaviens wurde bis in die jüngere Zeit die Langleinenfischerei der Netzfischerei vorgezogen, vor allen beim Einsatz auf steinigen Grund und in größeren Tiefen. Eine bevorzugte Beute war dabei beispielsweise der Dorsch, der als Stockfisch bereits seit römischer Zeit bis in das Mittelmeergebiet exportiert wurde. Auf die einzelnen Hakenmodelle und die damit befischten Fischarten einzugehen, ist ein so umfangreiches Thema, welches den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.

Kunstköder

Häufig werden in der Literatur „bronzene Kunstköder“ des Frühmittelalters genannt. Diese Gebilde haben meist keinen Widerhaken und ähneln meist eher Kleiderhaken, als welche ich sie zumeist eher ansehen würde.

Einen echten Bronzeblinker aus dem Purgalsee in Polen kenne ich nur mit der Datierung auf „Bronzezeit“ aus der Publikation von E. Krause Vorgeschichtliche Fischereigeräte und moderne Vergleichsstücke“ aus dem Jahr 1904.

Für die, aus römischer Zeit bereits durch Texte belegte Fliegenfischerei mit der künstlichen Fliege gibt es im Frühmittelalter keine Belege.

Das Fischen mit Netzen

Bereits in der Vorgeschichte waren die meisten Arten von Fischernetzen voll entwickelt, welche auch heute noch gebräuchlich sind. Obwohl die Fischernetze meist völlig vergangen sind, welche je nach Region vermutlich aus verschiedenen Pflanzenfasern bestanden haben, lassen sich über die Art der Netze Aussagen machen. Ein grobmaschiges Lindenbastnetz, wie es in Haithabu gefunden wurde, sehe ich indes eher als ein Verlade- oder Staunetz der Schiffahrt an. Dagegen wurde in Wolin ein Fragment eines Stellnetzes gefunden.

Stellnetzfischerei

Stellnetze bilden durch Schwimmer und Senker, welche das Netz straffen, eine Wand im Wasser. Beim Durchschwimmen des Netzes verfangen sich die damit befischten Fische im Netz. Durch Verwendung von Stellnetzen unterschiedlicher Maschenweite lassen sich Fische verschiedener Größen und Arten gezielt befischen.

Von den Stellnetzen, welche aus sehr feinen Leinen, Hanf oder Brennesselgarn gefertigt wurden, sind meistens nur noch die Flotten (Schwimmer) und die Senkgewichte erhalten. Schwimmer bestanden aus durchlochten Holz- oder Borkenbrettchen, sie konnten rund oder rechteckig sein. Schwimmer aus Birkenrindenröllchen, wie sie in Skandinavien bereits seit der Mittelsteinzeit verwendet wurden, fanden in Elisenhof an der Eider, wie auch in Haithabu und anderen Siedlungen im Ostseebereich Verwendung. Möglicherweise wurden Schwimmer auch aus Rohrkolben-Stengelbündel hergestellt.

Als Senkgewichte für die Netze wurden im Norden gekerbte Steine, in Holzringe eingeflochtene Steine, Keramiksenker und sogenannte „Hühnergötter“ verwendet. Dieses sind Feuersteine mit fossilen Löchern. Bei meinem ersten Fischereiexperiment im Jahr 1995 auf dem Haddebyer Noor verwendete ich einige solcher „Hühnergötter“ von einem Steinhaufen bei der Ausgrabungsbaracke, auf dem Steinfunde aus dem Hafen von Haithabu lagen. Auffällig an diesem Steinhaufen war, das die dort aufbewahrten Lochsteine größenmäßig zueinander paßten und im Gegensatz zu deren Vorkommen andernorts an der Schlei überproportional häufig vertreten waren. Im Süden wurden dagegen mittig durchlochte Bleigewichte verwendet, ebenfalls wie auch Senker aus Bleiblech, welches um die Unterleine aufgerollt wurde.

Für die Fischerei habe ich unterschiedliche Stellnetze nachgefertigt. Im Experiment mit einem Leinennetz von nur 15 Metern Länge und mit einer Maschenweite von 30 mm, welches ich in der Heringszeit 2009 in die Schwärme der am Ufer laichenden Heringe stellte, fing ich binnen 6 Stunden 20 Kg verwertbare große Heringe .

Auf ein leinenes Barschnetz mit 40 mm Maschenweite fing ich dagegen am Ostufer des Haddebyer- Noores im November 2009 nur bis zu 7 Barsche täglich im Bereich der Mündung in die kleine Breite.

Mit Leinennetzen von 50-65 mm Maschenweite fing ich im Experiment Hechte bis zu 100 cm Länge, vorzugsweise im Spätherbst bei kräftigem Wind.

Meist verbesserten sich am2-3 Tag des Fischexperimentes die Fänge gegenüber dem ersten Tag, vermutlich, da Naturfasernetze leichter Menschengerüche wie Rauchgeruch, Sonnencreme etc. aufnehmen welche sich erst verlieren müssen. Da ich diese Netze auch als Ausstellungsstücke bei historischen Veranstaltungen nutze, gehen sie durch vielerlei Besucherhände, welche ihren Geruch hinterlassen. Gerade bei ruhigen, warmen Wetter fangen diese Netze im Experiment schlechter.

Ein deutlicher Nachteil von Naturfasernetzen ist vor allen, das diese bei regelmäßigem Einsatz schnell verrotten. Über eine mögliche Imprägnierung der Netze, wie sie aus der Volkskunde durch Catechin aus Eichenrinde, Rauch oder gar Teer, bekannt ist, liegen keine archäologischen Hinweise vor. So ist jede mögliche Imprägnierung reine Spekulation. Im Experiment fingen jedoch meine durch das Borken mit Eichenrinde erstmals im Jahr 1994 imprägnierten Netze besser als die hellen unimprägnierten Leinennetze und erwiesen sich über die Jahre als verwitterungsresistenter.

Für Spiegelnetze, 3-wandige Stellnetze mit großen Außenmaschen und feinen Innennetz, fehlt für das Frühmittelalter ein Nachweis. Beim Durchschwimmen dieser, beispielsweise in der Küstenfischerei auf Butt sehr beliebten Netze fangen sich Fische beim Durchschwimmen in Netztaschen. In Israel wurde dieser Netztyp möglicherweise bereits in der römischen Antike verwendet.

Netzstricken

Zugnetze

Die Zugnetzfischerei ist durch Abbildungen bereits aus der Eisenzeit und durch Texte aus römischer Zeit belegt. Funde aus vorgeschichtlichen Zeiten deuten darauf hin, das die Technik der Zugnetzfischerei bereits im Neolithikum entwickelt war. Das Zugnetz ist eine lange Netzwand, welche mit oder ohne Sack in deren Mitte zum Fischfang verwendet wird.

Meist wird das Zugnetz (Wade) im tieferen Wasser ausgelegt und dann zum Ufer oder einer Flachstelle hin zusammengezogen. In der Mitte des Zugnetzes oder dem dort angebrachten Sack(Hamen) fangen sich dabei die Fische. Zugnetzfischerei wird stets von mehreren Fischern gemeinschaftlich betrieben.

In den erhaltenen Fischereigesetzen aus dem späten Mittelalter genießt die gemeinschaftliche Zugnetzfischerei meist Vorrang vor der Individualfischerei mit Stellnetz oder Reuse.

In der Schlei fischte ich mit dieser Technik Aale, Barsche, Butt, Hechte, Maränen und Weißfisch. Früher wurde die Wade auch intensiv zur Heringsfischerei eingesetzt.

Schwerere Bleigewichte in Mitteleuropa und besonders große Schwimmer aus archäologischen Funden deute ich als Teile von Zugnetzen. Als Senkgewichte für Zugnetze im Ostseebereich bieten sich auch hier „Hühnergötter“ an. Schwimmer und Senker von den Zugnetzen der Frühgeschichte sind neben schriftlichen Quellen bislang der einzige Hinweis auf deren Verwendung

Kescher und Hamen

Kescher sieht man bereits auf altägyptischen Wandmalereien, griechischen Vasenmalereien und römischen Mosaiken. Aus der römischen Kaiserzeit ist in Oberdorla (Thüringen) ein als Kescherfragment gedeutetes Holzstück gefunden worden. Der Rekonstruktionsvorschlag in der Publikation von Herrn Barthel, Alt Thüringen, Band 14,1977,Seite 159 ähnelt den Abbildungen von Keschern des späten Mittelalters, (z.B. Nürnberger Hausbücher) Gerade im Nord-Ostseebereich fehlt aber für das Frühmittelalter ein belegbarer Kescherfund. Selbst für Siedlungen mit intensiver Fischerei wie Haithabu fehlt nach Auskunft Prof. Dr. Schietzels, dem ehemaligen Leiters des archäologischen Landesmuseums Schloß Gottorf in Schleswig, ein klarer Nachweis des Keschers. Auch wenn Prof. Dr. Schietzel die Verwendung von Keschern z.B. für Haithabu für sehr wahrscheinlich hält, so gibt es wissenschaftlich dafür keinen belegbaren Nachweis. Selbst wenn Fragmente aus Haithabu denen in Oberdorla ähneln, so könnten diese durchbohrten Holstück auch anderen Verwendungen gedient haben. Ein ähnliches Bild bietet sich auch bislang in anderen Siedlungen im Ostseebereich.

Dagegen findet sich in Zug (Schweiz) ein als mögliches Kescherfragment gedeutetes hölzernes Fundstück aus dem 9. Jh. im Fischereikontext. Ein ähnliches Holzstück findet sich auch in Haithabu, jedoch ohne dem eingezapften Teil eines Bügels. So habe ich seit den 90er Jahren für das Frühmittelalter drei Keschermodelle in verschiedenen Varianten als Rekonstruktionsvorschläge aufgrund älterer Abbildungen und Funde entwickelt, archäologisch belegbar ist der Kescher im Frühmittelalter aber nur für die Schweiz.

Ob es Fanggeräte wie den in der römischen Kaiserzeit abgebildeten Scherhamen auch im Frühmittelalter gab, ist ebenfalls wahrscheinlich, archäologisch jedoch nicht belegbar.

Kescher

Fischzäune und Reusen

Fischzäune sind für das Frühmittelalter für Mittel- und Nordeuropa mehrfach belegt. So gibt es nachgewiesene Fischzäune aus England, Skandinavien, Deutschland, Polen und der Schweiz. Bestimmte Arten von Fischzäunen leiten die Fische in eine spezielle Fangkammer, so wie der auch volkskundlich in Rußland verwendete „koc“.

Welche imposante Größe ein Fischzaun haben kann, läßt sich in Kappeln an der Schlei auch heute noch an dem Kappeler Heringszaun sehen.
Wie seine frühgeschichtlichen Vorgänger, besteht der Kappeler Fischzaun aus geflochtenen Holzzäunen, welche bis über die Wasseroberfläche reichen. Bei den noch bis in die 60er Jahre des 20 Jh. verwendeten „Buhnen“ gar es im übrigen auch Fischzäune aus Schilfgeflechten.
Im Zusammenhang mit den archäologischen Funden von Fischzäunen fanden sich mehrfach Reusen verschiedener Bauart. Diese Reusen ähneln den Reusenfunden aus vorgeschichtlicher Zeit. Alle bislang für das Frühmittelalter belegbaren Reusen sind aus Holzstäben geflochten oder gezwirnt.

Für die Verwendung von Netzreusen (Bundgarnen) im Frühmittelalter fehlen bislang archäologische Belege. Mit Reusen lassen sich vielfältige Fische, Garnelen und Krebse fangen. Mit meinen Großreusen der modernen Fischerei fange ich im Prinzip heute noch mit der gleichen Technik Fische. Jede in der Schlei beheimatete Fischart fing ich bislang auch mit meinen Reusen. Dagegen nehmen sich die Experimente mit meinen frühmittelalterlichen Korbreusen bescheiden aus.

Die meisten Reusen des Frühmittelalters sind ein Fangkorb mit einer trichterförmigen Kehle. Durch diese Kehle können Fische in den Korb hinein, anschließend aber nicht wieder herausgelangen, da sie die verengte Einlaßöffnung der Kehle am Entweichen hindert.

Aufgrund der in Anlehnung an die Originalfunde meiner Reusen sehr engen Kehlen fing ich damit vor allen Aale, kleine Barsche und Weißfische. Richtig gut fangen auch Korbreusenrepliken erst, nachdem sie bereits einige Tage lang im Wasser stehen.

Eine besondere Reuse ist die Trompetenreuse, eine Reuse, welche ohne Kehle auskommt. Diese lässt sich bereits vorgeschichtlich nachweisen. In Gewässern mit starker Strömung eingesetzt, verklemmen sich die Fische beim hineinschwimmen in der sich verengenden Reuse, was ihnen ein Umdrehen und Entweichen unmöglich macht. Mit dieser Reuse wurden bis in das 20 Jh. auch bevorzugt Lachse und andere große Salmoniden (Meerforelle) gefangen,

Korbreuse

Fischspeere und Harpunen

Frühmittelalterliche Fischspeere und Harpunen sind an Fundorten in Nord- und Mitteleuropa nachgewiesen worden. Material ist meistens Stahl, seltener nachgewiesen sind Knochen oder Holz.

Harpunen

Bei diesen Fanggeräten löst sich beim Auftreffen auf die Beute die Spitze vom Schaft. Der Fischer birgt seine Beute anschließend über die Fangleine. Belege für solche Fanggeräte stammen z.B. aus Norwegen. Harpunen eignen sich je nach Konstruktion sowohl zum Fang größerer Fische, als auch zur Jagd auf Wale oder Robben.

Fischspeere

Diese konnten je nach Bauart 1 – 6 oder mehr Spitzen haben. In Haithabu wurden nur einzelne Spitzen von Fischspeeren gefunden. Der einzige Fischspeer, welcher dort noch mit Schaft erhalten nachgewiesen wurde, besitzt nur eine einfache Spitze. Andere Speerspitzen waren möglicherweise einmal im Verbund verschweißt. Komplett erhaltene frühmittelalterliche Fischpeerspitzen stammen beispielsweise aus Dänemark, England, Norwegen, Süddeutschland und auch Tschechien. Während im Norden Fischspeere mit geschmiedeter Tülle anders als in Mitteleuropa in dieser Periode seltener sind, gab es bestimmte Fischspeere in den verschiedenen Regionen. So gibt es Fischspeere mit im Bündel zusammengeschweißten Spitzen an verschiedenen Fundorten von Tschechien bis Dänemark und Norwegen .Von dieser Konstruktion gibt es zahlreiche Varianten.

Mit Fischspeeren wurden, je nach Region, Aale, Butt, Hechte, Lachse, Huchen, Forellen und andere Fischarten gestochen.
Ein besonderer Fischspeer des Ostseeraumes ist die Aallyster. Deren Speerspitze, bestehend meist aus 2 Schalmen und einem Mitteldorn, welcher am Speerschaft angebunden wurden. Belege für solche Fischspeere stammen z.B. aus Haithabu, wo einzelnen Schalmen nachgewiesen sind. Auf Anregung von Harm Paulsen und Prof. Dr. Schietzel vom archäologischen Landesmuseum Schloß Gottorf baute ich 2008/2009 mehrere Varianten dieser spezialisierten Fischspeere.

Beim Fischen mit der Aallyster wird ohne direkte Sicht auf den Aal gefischt. Seinen Standort verrät der Aal auf weichen Gewässeruntergrund, wenn durch seine Bewegungen im Schlamm Blasen aufsteigen. Auch an eingefrorenen Blasen im Eis kann man bei der Winterfischerei mit der Lyster Aalstandorte auffinden. An dieser Stelle wird mit der Lyster in den Untergrund gestochen, wobei der Aal durch die ausladenden Schalmen entweder eingeklemmt oder, je nach Konstruktion, vom Mitteldorn durchbohrt wurde. Diese Technik, Aale zu fangen, läßt sich von der Mittelsteinzeit bis zu ihrem Verbot(je nach Land) im 20 Jh. in Norddeutschland, Polen und Dänemark nachweisen.

Fischspeer

Winterfischerei mit der Aallyster

Andere mögliche Fischfangtechniken

Bereits aus der Antike gibt es Berichte (z.B. Plinius d. Ältere) über Giftfischerei. Auch in der frühen Neuzeit ist in erhaltenen Texten davon wieder die Rede. Für das Frühmittelalter gibt es darauf keine Hinweise.

Während es antike Abbildungen vom Fischfang mit der bloßen Hand gibt, fehlt die Beschreibung solcher Techniken ebenfall im Frühmittelalter. Dennoch gehe ich davon aus, das auch solche Techniken zum Einsatz kamen. Gerade in Bächen ist es ein leichtes, Forellen in das flache Wasser zu treiben und dann an Land zu werfen. In einer Stunde fing ich so als 13-Jähriger zusammen mit einem Freund 3 schöne Bachforellen.

Eine Verfeinerung ist dagegen die Fischerei mit der Stülpe. Archäologisch seit der Eisenzeit nachweisbar, gibt es Belege für diese Fischereitechnik mit einem speziellen Korb über das Frühmittelalter hinaus bis in die Neuzeit. Beim Stülpenfischen werden Fische in das flache Wasser gejagt, wo ein Korb zum Boden geöffneter spítzkegeliger oder zylindrischer Korb mit einer Öffnung an der Oberseite über die panischen Fische gestülpt wird (daher der Name) Während meiner Ausbildung zum Fischer erzählte mir mein afrikanischer Kollege Djanato aus Benin im Jahr 1988, das diese Technik in Westafrika in der volkskundlichen Fischerei nach wie vor eingesetzt wird.

Schlaghaken/ Schlagschlinge

Diese Geräte waren vermutlich ebenfalls weit verbreitet. Der Schlaghaken wurde bereits in der Mittelsteinzeit nachgewiesen und ist in der Fischerei bis zum heutigen Tag im Gebrauch, Angler kennen den Schlaghaken als „Gaff“.

Während der Schlaghaken in der römischen Zeit bei Römer und Galliern aus Stahl und in der germanischen Binnenfischerei (in Oberdorla) aus Holz nachgewiesen wurde, kenne ich aus Nordeuropa keinen eindeutig belegbaren Fund eines Schlaghakens für das Frühmittelalter. Dagegen läßt sich der Schlaghaken im Mittelmeerraum fast durchgehend nachweisen.

Eine inzwischen verbotene Technik, Hechte zu fangen, ist, diese in ihrer Laichzeit im flachen Wasser mit dem Schlaghaken zu haken. In der Laichzeit steht der Hecht im flachen Wasser, ist eher träge und eine leichte Beute.

Bereits in Oberdorla (Thüringen) wurde für die römische Kaiserzeit die Schlagschlinge nachweisen. Eine Schlinge aus Pferdeschweifhaar oder pflanzlicher Faser wird dabei dem Hecht in der Laichzeit über den Kopf gezogen und hinter den Brustflossen wie ein Galgenstrick zusammengezogen. Verbote in jüngeren Fischereigesetzen zeigen, das auch diese Technik bis in jünger Zeit überlebte. Jedoch ist auch diese Fischereitechnik im Frühmittelalter nicht nachweisbar.

Für Schleppnetze, bestimmte Arten von Hamen und Wurfnetze fehlt im Frühmittelalter in Mittel- und Nordeuropa ein Nachweis.

Fischkonservierung und Handel

Lebendhälterung

Vermutlich wurde der meiste Fisch im Frühmittelalter frisch verzehrt. Bereits in der Frühgeschichte war man bemüht, einen Teil des Fanges lebendig aufzubewahren. So gibt es archäologische Funde von Einbäumen mit einer Fischbünn. Die Bünn ist ein abgeschottetes Wasserbecken im Boot, in welchem sich die Fische während der Fangfahrt lebendig transportieren lassen. Anschließend konnten die gefangenen Fische lebendig ein Hältergehege gesetzt werden.

Slawische Fischer der späten Wikingerzeit verwendeten solche Einbäume, wie ein Fund aus Szcezecin zeigt. Ein Fischgehege aus Holzgeflecht wurde in Polen nachgewiesen.

Salzkonservierung.

Bereits in der Antike wurde eingesalzener Fisch und anderes Meeresgetier über weite Strecken transportiert. Im Verlauf des Mittelalters entwickelte sich daraus ein wichtiges Handelsgut. Der außerordentlich gute Erhaltungszustand der in Haithabu nachgewiesenen extrem feinen Heringsgräten wird in der Publikation zu diesem Thema als ein indirekter Nachweis der Salzkonservierung gesehen.

Salzhering läßt sich, spätmittelalterlichen Quellen zufolge, 12 – 24 Monate aufbewahren. Ohne eine Konservierung verdirbt der Hering bereits wenige Stunden nach dem Fang. Ob die kleinen Holzfässer, welche in Haithabu gefunden wurden, auch für den Fischtransport verwendet wurden, ist nicht belegt. Ähnliche Fässer wurden jedoch durch das Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit für die Aufbewahrung und den Transport von Salzheringen verwendet.

Räucheröfen

Räucheröfen sind zum Beispiel als Grubenräucheröfen in Biskupin nachgewiesen worden. Die Räucherei in der Grube ist auch heute noch eine gebräuchliche Räuchertechnik, insbesondere zur Kalträucherei. Obgleich weltweiter Verbreitung als Konservierungstechnik, ist die Räucherei archäologisch selten belegbar. Das mag an der Einfachheit der dazu benötigten Gerätschaften liegen. Räuchern läßt sich bereits lediglich auf einer Feuerstelle aus bestimmten aromatischen Holzsorten, abgedeckt mit dem Abschnitt eines hohlen Baumstammes, einer Holzkiste oder einen Holzfaß. Über die Abdeckung mit einem Deckel, einem Fell/Rohhaut oder einer Decke, läßt sich die Temperatur, der die Fische im Inneren des Ofens ausgesetzt sind, regulieren.

Salzkonservierung

Geräucherter Fisch

Fischerboote

Verbreitet in ganz Mittel- und Nordeuropa war im Frühmittelalter der Einbaum, welcher bevorzugt aus Eichenholz gefertigt wurde. Diese einfachen und zweckmäßigen Boote wurden aus einem frisch gefällten Baumstamm geschlagen. Je nach Region sahen die Einbäume unterschiedlich aus. Die Größen variierten zwischen unter 4 bis über 10 Metern Länge.

Technisch zwischen den Einbäumen und verplankten Booten stehen die aufgeplankten Einbäume. Solche Boote sind bereits aus der Eisenzeit bekannt und im Frühmittelalter z.b. in Friesland und dem Karolingischen Gebiet nachgewiesen worden. Aus karolingischer Zeit liegt sogar sogar der Fund eines Wadenbootes vor. Aus Grabfunden sind im Norden einige kleine Boote der Wikingerzeit bekannt. Bekannt sind das kleinste verplankte wikingerzeitliche Ruderboot als Grabbeigabe aus Ârby in Schweden mit 3,9 Metern wie auch der Færing als Ruderboot von 6,7 Metern Länge, welcher als Beiboot zum berühmten Gokstadt-Schiff gefunden wurde.

In beiden Booten sehe ich eher schnelle kleine Ruderboote für den Personentransport als etwa mögliche Fischerboote. (der Færing wurde als Beiboot eines Kriegsschiffes gefunden). Für ein Fischereifahrzeug auf offenen Gewässern sehe ich aus meiner Sicht als Berufsfischer beide Boote aufgrund deren Bauart als eher ungeeignet an.

Interessant in diesem Zusammenhang sind aber die Funde der Überreste mehrerer weiterer kleiner Fahrzeuge in den Längen von 5 – 8 Metern, deren hölzerne Bestandteile sich zwar komplett zersetzt haben, deren Abdruck im Boden aber noch sichtbar ist. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch die Anordnung der Nietenreihen der einstmaligen Verplankung des Bootsfundes bei der Ausgrabung. Diese können Informationen über Breite und Bordwandhöhe des vorliegenden vergangenen Bootes geben. Dabei gibt es Funde wesentlich stabiler konstruierter und somit für die Fischerei geeigneter Fahrzeuge als beispielsweise den Gokstad-Færing. Als mögliches Fischereifahrzeug wird das Wrack Skudelev 6 mit einer Länge von 12 Metern und einer Breite von 2,50 Metern gedeutet.

Auch heute gibt es noch Fischereifahrzeuge in Nordeuropa, welche sichtbar in der Tradition des wikingerzeitlichen Bootsbaues stehen. Dass bereits kleinere Boote aus der skandinavischen Bootsbautradition sehr seetauglich sind, beweisen die shetländischen Fischerboote von 5 – 10 Metern Länge, welche bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts noch gebaut und zum Fischfang im Nordatlantik eingesetzt werden. Noch im 19. Jahrhundert fuhren solche Boote unter Rahbeseglung wie in der Wikingerzeit zur Fischerei aus.